Ich erinnere mich noch, als damals Flattr an den Start ging. Das Schlagwort "micropayment" kam auf und alle wollten kurz daran glauben, dass Künstlerinnen und Künstler auf einmal einen direkten finanziellen Kanal zu ihren Fans bekommen könnten. Für einige wenige wie Tim Pritlove ist Flattr auch heute noch eine solide Einkommensquelle, aber für die meisten kleineren Blogs und Podcasts (zumindest in meinem Umfeld) generiert die Plattform schon lange nicht mal mehr ein Taschengeld.
Aber es gibt eine neue, spannende Plattform, die diese Idee des Supports weiterdenkt: Patreon. Ich hatte letztes Jahr schon einmal darüber gebloggt und möchte das jetzt noch einmal tun, da Patreon auch in Deutschland langsam anfängt Fuß zu fassen.
Was ist Patreon?
Patroen ist eine Plattform, auf der Kreative finanziell unterstützt werden können - und zwar anders als bei Flattr nicht mit einzelnen Klicks, von denen jeder ein paar Cent wert ist. Patreon funktioniert eher wie ein Kickstarter-Projekt ohne End-Datum: Statt mit einem Mal sehr viel Geld zu sammeln, zahlen Unterstützer_innen regelmäßig kleinere Beträge an die, die sie unterstützen wollen - also ein paar Dollar, entweder monatlich oder pro abgeliefertem Werk.
Ich supporte schon seit einiger Zeit verschiedene Personen und Projekte auf Patreon und gebe dort jeden Monat sehr viel mehr Geld aus, als ich es bei Flattr je tat (knapp über 70$). Vieles davon geht in die Videospiel-Szene - Journalistinnen, Künstlerinnen, Entwickler_innen. Mattie Brice bekommt 1300$ pro Artikel, den sie schreibt, Touch Arcade ersetzt auf Patreon die in letzter Zeit weggefallenen Werbeeinnahmen.
Und auch größere Namen snd auf Patreon vertreten: Comicautor Zach Weinersmith bekommt 9000$ pro Monat, Musikerin Amanda Palmer wird sogar mit über 30.000$ im Monat von ihren Fans unterstützt.
Wo Flattr (zumindest gefühlt) immer sehr technisch orientiert war, kommt mir Patreon sehr viel kreativer, vielseitiger und bunter vor. Von Autor_innen, Webcomics, Fotografie, YouTube-Videos, Musik und Podcasts ist alles mögliche dabei. Allein schon das Konzept macht es zugänglicher - meine Unterstützung erfordert weniger Klicks, weniger Management und ich erhalte mehr und direkteres Feedback.
How do I even Patreon?!
Vielleicht ließ sich das schon raushören: Ich finde Patreon ziemlich gut. (Und das nicht nur weil mein Zeichentrickpodcast Ponytime und meine Videospielkritiken unter "Neues aus der Raummaschine" dort ein paar Dollar einsammeln.)
Beim Erstellen eines eigenen Patreon-Profils - sei es für Blog, Podcast, Musik, Artworks oder was auch immer - gilt es sich vorher ein paar Fragen zu stellen.
Die erste ist die nach dem Rythmus, in dem die Unterstützung abgebucht wird: monatlich oder pro Werk. Diese Einstellung lässt sich im Nachhinein zwar noch ändern, ist aber verwirrend gegneüber den Unterstützer_innen. Patreon selbst empfiehlt ab "täglichen oder sehr regelmäßigen" Veröffentlichungen eine monatliche Kampagne. Praktisch wird monatlich aber für fast alle Projekte benutzt, die mindestens einmal im Monat etwas veröffentlichen.
Bei dem Rythmus "pro Werk" ist auch zu berücksichtigen, dass die Zahl die auf dem Patreon-Profil nicht wirklich die sein muss, die am Monatsende auch ankommt. Unterstützer_innen können einen monatlichen Maximalbetrag angeben. Das ist sehr gut, weil so nicht versehentlich die Kreditkarte leergepumpt werden kann. Das führt aber auch dazu, dass der Betrag ab dem zweiten Werk in einem Monat sinkt.
Die nächste Überlegung sind die "Goals", also gesetzte Meilensteine. Es ist nicht möglich Summen über einen längeren Zeitraum zu Verfolgen, als Goals lassen sich nur Gesamtbeträge pro Monat oder pro Werk zu setzen. Da das Ziel eines Patreon regelmäßige Unterstützung ist, macht es wenig Sinn hier Einzelanschaffungen anzugeben - dafür wäre ein Kickstarter oder klassisches Crowdfunding eher geeignet.
Die Fragestellung für die Goals sollte also sein: Was wäre mir möglich, wenn ich soundsoviel Euro pro Monat bekommen würde? Kann ich mir einmal mehr leisten, einen Interviewpartnerin für einen Podcast besuchen zu fahren, etwa?
Hier kann gerade bei monatlich angelegten natürlich auch einfach der reine Support ohne direkte Gegenleistung in den Vordergrund gestellt werden. Einige prekär lebende Künstler_innen etwa geben hier ein Ziel in der Höhe ihre Miete oder Lebenshaltungskosten an. Patreon kann bei Erfolg also auch eine Art Grundeinkommen sein (wenn auch kein bedingungsloses).
Der dritte große Punkt bei einem Patreon-Profil sind die Rewards, also Belohnungen für die Unterstützer_innen. Diese sind nach der Höhe der Unterstützung gestaffelt. Das ist das - aus meiner Sicht - interessanteste. Patreon stellt hier ein simples Werkzeug für Abonnements bereit, die auf ganz verschiedene Arten genutzt werden können.
Der YouTube-Kanal Every Frame A Painting bietet als Reward für 3€ pro Video etwa Versionen ohne Schimpfwörter an, die im Unterricht, etwa an Filmschulen, verwendet werden können. Und Olav Larsen schickt für 5€ im Monat jeweils ein neues Pixelbild - und für höhere Summen entsprechend aufwändigere Bilder. Es gibt auch Künstler_innen, die höher Aufgelöste Versionen ihrer Artworks ohne Wasserzeichen oder direkt die Photoshop-Dateien anbieten.
Das Profil von Journalist Ismail Küpeli ist ein Beispiel für die Unklarheit zwischen monatlicher Unterstützung und einmaligem Crowdfunding. Für 25$ Unterstützung im Monat bekomme ich sein Buch. Aber erhalte ich jeden Monat ein neues Exemplar des Buches? Sinnvoller wäre es vielleicht, die Belohnungen mit den Büchern zusammenzulegen und Unterstützer_innen dann einfach automatisch jedes veröffentlichte Buch zukommen zu lassen.
Patreon bietet eine Art "Paywall" schon von Haus aus. Bilder, Dateien und Blogposts können auf Patreon nur für Unterstützer_innen mit einem bestimmten Betrag freigegeben werden. Hier lassen sich also z.B. eBooks, exklusive Bilder oder sonstige Belohnungen direkt und einfach hochladen und verteilen. Die Möglichkeiten dieses direkten Kanals zwischen Fans und Kreativen bietet einiges an Potential.
Kritik
Bei all der Begeisterung gab es aber auch schon einige Kritik an Patreon. Es wird beispielsweise zu wenig gefiltert, wer dort finanziell profitieren kann. Das Forum 8chan oder das antifeministische Filmprojekt "The Sarkeesian Effect" wurden beispielsweise geduldet. Inzwischen gibt es (noch verbesserungswürdige) Community Guidelines und immerhin 8chan wurde aufgrund dieser der Plattform verwiesen. "The Sarkeesian Effect" sammelt aber immer noch Unterstützung - von der auch Patreon finanziell durch ihren Anteil von 10% an den Einnahmen direkt mit profitiert.
Außerdem bewegte sich Patreon bei der Einführung der europäischen Steuerreform VAT nur sehr langsam. Das rief bei vielen aus Europa stammenden Künstler_innen tiefe Verunsicherung hervor, denn sie wären Gefahr gelaufen mit jeder Spende Steuerrecht zu brechen. Inzwischen rechnet Patreon die Steuern aber EU-konform ab. (Genauer auf diesen clusterfuck von Steuerrechtsreform einzugehen erspare ich euch und mir an dieser Stelle.)
Beide Vorfälle erinnern daran, wie jung das Unternehmen Patreon noch ist - gerade in dieser Hinsicht müssen sie noch viel professioneller und sicherer werden, wenn sie eine solide Finanzierungsplattform sein wollen.
Patreon in Deutschland
In Deutschland ist der Dienst bisher noch nicht so populär, und doch gibt es schon einige erfolgreiche Projekte, etwa den Podcast Insert Moin oder die Comic-Autorin Sarah Burrini.
Was den Dienst hier sicher noch zurückhält, ist sicher auch die fehlende Übersetzung. Das Konzept ist zwar etwas einfacher veständlich als das von Flattr, dennoch fehlt eine simple Erläuterung der Funktionsweise und der Vorteile für beide Seiten. Außerdem werden die angezeigten Beträge noch nicht einmal in Euro umgerechnet, sondern nur in US-Dollar angezeigt. Einladend wirkt das alles nicht.
Dennoch - gerade in den USA, wo Flattr kaum eine Rolle spielte, funktioniert Patreon bereits erstaunlich gut. Da Flattr in Deutschland seine größte Nutzungsbasis hatte, hoffe ich, dass viel von diesem großzügigen Potential zu Patreon herüberschwappt. Und vielleicht kann der seit der Einführung von Flattr geträumte Traum der einfachen finanziellen Unterstützung von nichtkommerziellen Projekten und kreativem Schaffen dann ja doch noch wahr werden.